Virtual Cinema
Unter dem Begriff Virtual Cinema führen im Zuge der Coronakrise drei große Indieverleiher ein VoD-Angebot ein, dass die Kinos unmittelbar an den Erlösen beteiligt.
Schon vorher gab es unterschiedliche Versuche, Kinos an VoD-Erlösen zu partizipieren, u.a. Curzon Home Cinema (2010, erste Day-and-Date-Starts ab 2013 ("Premium Video on Demand").
In Deutschland wurde der Versuch, LOVE STEAKS parallel als "Cine Stream" (2014) anzubieten, nach Widerständen aus der AG Kino aufgegeben.
Definition "Virtual Cinema":
- Kinos werden an den Erlösen in ähnlicher Höhe beteiligt wie an den verkauften Kinotickets. (40-60% vom Nettoerlös)
- "Virtual Cinema" ist Teil des exklusiven Kinofensters (oder ein eigenes exklusives Fenster-Recht kurz nach dem Kino-Fenster).
- Der Preis orientiert sich an dem Kinoticketpreis, kein SVoD (also TVOD für 10 EUR oder mehr)
Vor- und Nachteile
Vorteile:
- höhere Reichweite, gerade bei kleinen Filmen
- mehr Relevanz für Feuilleton, wenn der Film physisch nur in "ausgewählten Kino" zu sehen ist
- zusätzliche Erlösmöglichkeit für Kinos
- Kinos entwickeln ein Gefühl für VoD, rein realistisches Bild über Abrufzahlen etc.
- Verfügbarkeit von Filmen zum Start auch für Menschen, die nicht ins Kino gehen können
- die Vorzüge eines Kinobesuchs können besser herausgestellt werden (Virtual Cinema als Kino-Surrogat)
- Verfügbarmachung von verschiedenen Sprachfassungen (OV/OmU/deutsche Synchronfassung)
- neue Verhandlungsmasse für Kinos und Verleiher, um Filme zu disponieren (virtueller Rechte-Erwerb kann/sollte an physische Auswertung gekoppelt sein)
- Kinos spielen im Streaming War mit - und haben wertvollen exklusiven Content
- digitale Kanäle können als Marketingtool verwendet werden (insbesondere wenn die Kinos über eine eigene VOD-Plattform verfügen)
- gutes Mittel gegen Internet-Piraterie
- Filme könnten länger in den Kinos gehalten werden (z.B. wenn das Kino über die VoD-Abrufzahlen sieht, wie populär der Film ist)
- Filme sind 24/7 abrufbar, auch wenn der Film schon physisch aus dem Kino verschwunden ist
- zusätzlicher Anreiz für Kinos und Verleih, den Kinostart mit maximalem Aufwand zu bewerben, auch für kleine Nischenfilme (der Verleih wird sein Marketingbudget zu 100% auf den Kinostarttermin verwenden, nicht mehr Mittel für den Home Entertainment-Start aufwenden)
Nachteile:
- Aufweichung des Begriffs "Kino" / "Nur im Kino"
- Schwächung des Kinofensters, unkontrollierbare Entwicklung
- wie sieht es mit der territorialen Exklusivität aus? (können kleine Einzelhäuser sich gegen Ketten/Großkinos behaupten?)
- werden kleine Filme auf die virtuelle Leinwand abgeschoben?
- unter Umständen werden Verleiher zugunsten der Virtual Cinema-Erlöse Einbußen beim Home Entertainment erfahren (wahrscheinlicher aber wird ein erfolgreicher Kino/Virtual Cinema-Start die nachfolgende Auswertung befruchten)
Weblinks
Wie Love Steaks fast die deutsche Filmbranche veränderte:
https://www.hiig.de/wie-love-steaks-fast-die-deutsche-filmbranche-veranderte
Einstündige Roundtable einiger US-Indie-Verleiher auf Screendaily:
"Are Virtual Theaters Here to Stay?" - Filmmaker Magazine:
https://filmmakermagazine.com/109713-are-virtual-theaters-here-to-stay/